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Winter-Wunderland

Von Christiane Neubauer aus Neuss 13. August 2015 - 05:00 Uhr

 

 

In der Skihalle Neuss schneit es jede Nacht aus zwölf speziell entwickelten Schneekanonen in der Hallendecke.

Foto: Michael Pruckner/ allrounder

Skifahren im Sommer? Die Skihalle in Neuss macht es möglich. Sie gaukelt Besuchern eine hochalpine Winterlandschaft vor und bietet bei konstant minus drei Grad Celsius ideale Pistenbedingungen.

 

Neuss - Neuss an einem Sonntagmittag im Juli. 30 Grad, die Sonne brennt. Während sich viele Neusser auf der Liegewiese am Kaarster Baggersee rekeln oder sich auf den Weg ins Freibad machen, kann man im Stadtteil Furth Skurriles beobachten. Ein Vater und seine halbwüchsige Töchter stopfen Skihosen, Thermosocken, Handschuhe und Anoraks in die Satteltaschen von drei Fahrrädern und zurren je einen Skihelm auf den Gepäckträgern fest. Skifahren im Sommer? Hunderte Kilometer von den Alpen entfernt? „Bei uns in Neuss geht das“, sagt die zwölfjährige Julia Mertens. „Wir gehen fast jedes Wochenende zum Skifahren, im Sommer manchmal auch erst abends, nachdem wir tagsüber im Freibad waren“, fügt ihre Schwester Sandra (14) hinzu.

 

Möglich macht das ein überdimensionaler Kühlschrank auf Stelzen, die Jever Fun Skihalle. Im Januar 2001 eröffnete sie auf dem Gelände einer ehemaligen Mülldeponie am Stadtrand der 150 000-Einwohner-Metropole bei Düsseldorf und war damit Deutschlands erstes Indoor-Wintersportzentrum. Skifahren, Snowboarden, Rodeln und Eisstockschießen kann man hier das ganze Jahr über täglich von 9 Uhr morgens bis 22 Uhr abends - außer Montag, da ist Ruhetag. An Spitzentagen tummeln sich bis zu 4600 Skifahrer und Snowboarder auf der Piste und strafen alle Skeptiker Lügen, die seinerzeit orakelten, dass das Projekt scheitern werde, weil bestimmt niemand Wintersport in Hallen betreiben möchte. In den vergangenen Jahren entstanden fünf weitere Skihallen in Deutschland.

 

Sie alle haben sich zu Publikumsmagneten entwickelt. Die Skihalle in Neuss sieht wie eine silberfarbene Raupe aus, und da die Landschaft rundherum flach ist wie ein Bügelbrett und das schlauchartige, fensterlose Ungetüm auf bis zu 20 Meter hohen Stelzen steht, ist es bereits von weitem zu sehen. Auf dem Parkplatz vor der Skihalle stehen zahllose Autos in der heißen Mittagssonne. Allerdings ist nur ein kleiner Teil der Besucher tatsächlich zum Skifahren gekommen. Die meisten nutzen das Freizeitangebot, das im Laufe der vergangenen Jahre rund um den gigantischen Kühlschrank entstanden ist: ein Hochseilgarten, ein 3-D-Parcours für Bogenschützen, eine Kletterwand und eine sogenannte Almgolfanlage. Hier wird Minigolf gespielt, aber nicht auf Betonflächen, sondern auf grasgrünem Kunstrasen. Besonders beliebt ist im Sommer aber vor allem der alpenländische Biergarten, in dem Bedienungen im Dirndl oder Lederhosen ein deftiges Tiroler Gröstl auftragen, Kasnock’n oder Kaiserschmarrn.

 

Die Après-Ski-Party schon in vollem Gange

Familie Mertens lässt die bierseligen Besucher unter dem rot-weiß geringelten Maibaum rechts liegen und steuert zielstrebig das Hauptgebäude an. In der Salzburger Hochalm, deren urige Stube mit 300 Jahre alten Holzschindeln verkleidet ist, ist die Après-Ski-Party schon in vollem Gange - und das obwohl der Pistenbetrieb noch viele Stunden weiterläuft. Aus den offenen Fenstern dröhnt Wolfgang Ambros’ „Schifoan“, und Julia und Sandra wippen in Vorfreude mit, während sie die Eingangshalle durchqueren und sich ins Untergeschoss begeben, wo in einem Spind ihre Brettl und die Skischuhe lagern und wo sich jeder, der keine eigene Ausrüstung besitzt, mit allem, was nötig ist, eindecken kann. Der Zugang zur Piste erfolgt, wie man das aus „echten“ Skigebieten kennt, über ein Drehkreuz.

Dann schlägt den Mädchen, die T-Shirts und kurze Hosen gegen farbenfrohe, wattierte Overalls getauscht haben, konstant erfrischende minus drei Grad Celsius kalte Luft entgegen. Knapp 300 Meter lang und 60 Meter breit ist die Piste. Mit Abfahrten in den Skigebieten der Alpen kann sie damit nicht annähernd mithalten, mit Pisten in den Skizentren der Mittelgebirge, zu denen auch die Schwäbische Alb gehört, dagegen schon. Damit auch bei guter Auslastung niemand lange am Lift warten muss, bringen ein Vierer-Sessel-Lift und zwei Teller-Lifte die Ski- und Snowboardfahrer auf den Gipfel des „Rheinischen Gletschers“, von wo aus sie dann mit einem Gefälle von bis zu 28 Grad wieder „ins Tal“ wedeln oder carven können. Etwa drei Minuten dauert die Fahrt im Sessellift bis zur „Bergstation“.

Kaum aus dem Sessel gerutscht, stürzen sich die Mertens-Mädchen auch schon mit wehenden Zöpfen den Hang hinunter, während Papa Andreas in weiten, eleganten Bögen den Hang durchquert, auf dem sich heute - dank des Kaiserwetters draußen - nur ein gutes Dutzend weitere Wintersportfreunde tummeln. Für Kinder und Anfänger gibt es einen separaten, flachen Übungshang. Drei Förderbänder, Zauberteppiche genannt, bringen die Skischüler nach oben. „Mit über 300 Ski- und Snowboardlehrern ist unsere Skischule eine der größten staatlich geprüften Skischulen Deutschlands“, sagt Pressesprecherin Ricarda Meier nicht ohne Stolz. Für Wintersportler, die mit Brettln an den Füßen gar nichts anfangen können, gibt es zudem drei Rodelbahnen, und Eisstock schießen kann man auch.

Die Hallenwände sind komplett mit Fotobannern verkleidet. Und tatsächlich: Als der Sessellift an einer tief verschneiten Tanne vorbeifährt, wirkt diese auf den ersten Blick wie echt - wären da nicht die Nähte zu sehen, mit denen die Banner zusammengefügt wurden. E in Wunderwerk der Technik ist die patentierte Kühl- und Beschneiungsanlage der Halle, die - um den Energieverbrauch möglichst gering zu halten - ähnlich wie ein Kühlschrank sehr gut isoliert ist. „Es findet so gut wie kein Kälteverlust nach außen statt“, erklärt Meier. „Um den Energieverbrauch weiter zu drücken, haben wir außerdem sämtliche Lampen - es sind immerhin über 200 - gegen energiesparende LEDs ausgetauscht.“ Zahlen zum Energiebedarf lägen ihr nicht vor, da dieser für die Halle nicht separat erfasst werde.

 

In Neuss ist es besonders cool“

Von rund 2,5 Millionen Kilowattstunden pro Jahr berichtete die Presse zur Eröffnung der Skihalle im Jahr 2001. Wenn das auch heute noch stimmt, wäre es nicht viel. Denn damit ließen sich „nur“ 714 Durchschnittshaushalte in Deutschland ein Jahr lang mit Strom versorgen. Die Qualität des Kunstschnees ist überraschend gut. Griffig ist er und am Rande der Piste etwas aufgefahren, so wie man es von echten Pisten gewohnt ist. In der Mitte der Abfahrt sorgen Eisplatten unter der Kunstschneedecke und einige Sprungschanzen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade dafür, dass selbst versierte Pistenprofis Herausforderungen finden. So wie Bent und Willem aus dem niederländischen Eindhoven. „Nur einmal im Jahr im Skiurlaub Snowboard fahren, das ist mir definitiv zu wenig,“ sagt der 19-jährige Willem, der mit seinem gleichaltrigen Freund rund ums Jahr Indoor-Skizentren besucht, um seinem Hobby, dem Snowboarden, zu frönen. „In Neuss ist es besonders cool,“ fügt Bent hinzu.

Sabine Müller (42), die heute zum ersten Mal aus dem nahen Köln in die Skihalle gekommen ist, ist dagegen wenig begeistert: „Man sieht zwar, dass der Betreiber sich alle Mühe gegeben hat, so viel alpines Flair wie nur möglich zu erzeugen, aber ohne Sonne und die frische Luft, die einem in den Bergen um die Nase weht, ist das hier kein adäquater Ersatz für einen Skiurlaub.“ Andreas Mertens sieht es anders: „Meine Frau fährt nicht Ski und hat sich im Skiurlaub immer gelangweilt. Dazu kamen die lange Anreise mit dem Auto und der Stress durch die vielen Staus. „Eine Jahreskarte für mich und die Mädchen kostet weniger als eine Woche Skiurlaub für uns alle. Zur Skihalle fahren wir mit dem Rad und wir kommen dafür das ganze Jahr über, wann immer wir Lust dazu haben.“

Angesprochen auf die Ökobilanz seines Hobbys bleibt der 48-Jährige gelassen: „Wenn wir von Neuss aus zum Skifahren extra mit dem Auto nach Österreich oder die Schweiz fahren oder mit dem Flugzeug in die französischen Alpen fliegen würden, fiele die Ökobilanz wohl nicht besser aus“. Und weil zu einem echten Skiurlaub auch der Einkehrschwung dazugehört, gönnt er sich und seinen zwei Skihasen zum Abschluss des Skitages noch eine Jause im Biergarten. Bei immerhin noch 28 Grad Celsius. Wie gut, dass das Freibad heute Abend auch lange geöffnet ist.

 

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Infos zum Rhein-Neuss-Kreis

Von Christiane Neubauer aus Neuss 13. August 2015 - 05:00 Uhr

 

Anreise
Mit dem Auto von Süden kommend über die A 61 nach Neuss, an der Anschlussstelle Neuss-West auf die A 46 Richtung Aachen, an der ersten Ausfahrt, Neuss-Holzheim abfahren, der Beschilderung „Skihalle“ folgen

Per Bahn: Ab Düsseldorf oder Köln mit der S-Bahn nach Neuss Hbf. Benutzen Sie im Hbf Neuss den Ausgang Further Straße, und folgen Sie dem Hinweis zum Bussteig Nr. 1. Bus 843 mit Ziel Grefrath hält an der Skihalle, Fahrtzeit ca. 25 Minuten, www.bahn.de.

 

Unterkunft
Seit September 2011 steht direkt neben der Skihalle Neuss das Hotel Fire & Ice. Die mit alpinem Zubehör eingerichteten Themenzimmer und -suiten entführen die Gäste in die weltweit berühmtesten Bergregionen, DZ ab 79 Euro, Tel. 0 21 31 / 7 52 50,www.hotelfireandice.de

Für Selbstversorger: Black & White Apartment ist eine geräumige (vier bis sechs Personen), modern eingerichtete Unterkunft, 7,5 Kilometer von der Skihalle entfernt, Mietpreis für die 1. Person ab 100 Euro pro Tag, jede weitere Person 25 Euro, Adresse: Am Leuchtenhof 7, 41462 Neuss, www.blackandwhite-apartment-neuss.de

 

Jever Fun Skihalle
Adresse: An der Skihalle 1, 41472 Neuss, Öffnungszeiten: täglich 9.30 bis 22 Uhr (außer Montags), Tel. 0 21 31 / 12 44 - 0, www.allrounder.de

Preise: Tageskarte für Erwachsene von Dienstag bis Donnerstag 34 Euro, Samstag und Sonntag 39 Euro, 1-Stunden-Karte 20 bzw. 23 Euro, 3-Stunden-Karte 28 bzw. 33 Euro, Kinder bis einschließlich 13 Jahre ca. ein Drittel weniger.

 

Weitere Skihallen in Deutschland
Europas breiteste Skihalle, der Snow Dom Bispingen, liegt mitten in der Lüneburger Heide. Der Standort wurde bewusst so gewählt, dass er von Besuchern aus den Großstädten Hamburg (60 km entfernt), Hannover (90 km) und Bremen (100 km) schnell erreicht werden kann, www.snow-dome.de

Auch das Alpincenter in Bottrop schmückt sich mit einer Superlative. Gebaut auf einer Halde der Zeche Prosper und mit einer Pistenlänge von 640 Metern verweisen die Betreiber auf das Prädikat „längste Skihalle der Welt“,www.alpincenter.com

Snowtropolis heißt die Skihalle in Senftenberg, etwa in der Mitte zwischen Cottbus und Dresden gelegen. Im Winter lädt zusätzlich die riesige Eishalle zum Schlittschuhlaufen ein. Die Eisfläche verschwindet im Frühling und wird zu Sportplätzen umgewandelt, www.snowtropolis.de

DKB- Skisporthalle Oberhof in Thüringen wurde speziell für den nordischen Wintersport konzipiert. Da es auch eine Schießhalle gibt, sind rund ums Jahr auch Biathlon-Wettkämpfe möglich, www.oberhof-skisporthalle.de 2

 

 

 

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